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Über Land und Leute - in Nordschweden

Reisen, so sagt man, bildet. Denn man lernt andere Länder und Kulturen kennen. Was einem dann auch die Gelegenheit bietet, neu Erlebtes mit Zuhause zu vergleichen. 

Mein kleiner Irrtum ist bisweilen, dass ich (fast) immer davon ausgehe, dass ich lauter romantische, tolle, vermeintlich Zuhause überlegene Erfahrungen machen werde und mich vor Begeisterung kaum werde im Zaum halten können. Ob dieses Intros kann man sich schon denken: das ist natürlich nicht immer so ;-).

 

Was also hat es mit Schweden, v.a. Nord-Schweden so auf sich? Zeit, eine erste kleine Zwischenbilanz zu ziehen: Schweden ist ein sehr konsens-orientiertes Land (ich habe das selbst nicht intensiv erlebt, aber unsere Freundin, die hier arbeitet und auch Ute, die viel in Schweden gearbeitet hat, bestätigen dies immer wieder). Man konfrontiert andere nicht offen mit seinen Meinungen (was bei mir oft - zu oft - bedeutet, ich blaffe gleich mal mein Gegenüber an - präventiv, sozusagen), denn man bekommt zwar kein offenes Kontra (was ich mit Einverständnis verwechsle), sondern bekommt es eher hintenrum durch die Blume dann eingedrückt.

 

Aber: hier geht es ja grad mal nicht um die Erfahrungen in der Arbeitswelt, es geht um die Erfahrungen von Land und Leuten so im „Daily Life“. Dennoch spielt der Konsens hier eine grosse Rolle, und auch -  so scheint es mir - die sehr sozialistisch-orientierte Ausrichtung Schwedens. Es kommt mir ein wenig vor wie Little Kuba - nur ist Kuba sehr viel romantischer, die Leute sind fröhlicher und das Wetter ist um Welten besser.

Warum Little Kuba? Wo immer wir hinkommen, überall ist es ein wenig „grindig“, ein wenig nicht ganz gepflegt (mit Ausnahme der Rasen und Gärten vor den roten Häusern- die sehen super englisch aus), irgendwie runtergekommen. Ich hab bei den Wallander-Verfilmungen irgendwie immer gedacht, die gezeigten Gebäude wären halt „soziale Brennpunkt-Gegenden“ - aber das stimmt so nicht. Es sieht hier überwiegend so aus. 

Was die roten Häuser angeht - sie sind so zahlreich, wie waren ganz verblüfft, als wir an einem blauen Haus vorbeifuhren - haben wir gleich fotografiert :-). Das Rot hat allerdings seinen Grund. Die Farbe heißt Falunrot und hat einen signifikanten Kupfer und Eisenoxid-Anteil. Man strich ursprünglich die Holz- Häuser rot an (und zwar mit der bestimmten Farbmischung), damit sie den Backsteingebäuden ähnlich sahen, die die Reichen bewohnten. Dann stellte man fest, dass die Farbe äusserst gute konservierende Eigenschaften besitzt. Und voila, seitdem streicht man Häuser Falunrot.

 

Wie schon mal beschrieben, öffnen die meisten Cafés erst um 11. „Öppet“ (geöffnet) wird daher so nach und nach zum Zauberwort. Am Wochenende, bzw. Fr. ab Mittag ist nämlich fast nix mehr „Öppet“. Oder selbst wenn z.B. die Tierklinik auf google „Öppet“ anzeigt, läut beim Anruf eine Bandansage (Fr. 14 Uhr), dass man am Mo. wieder verfügbar wäre. Gleiches gilt für Physios und so einiges mehr. Man kann es natürlich auch so sehen, dass die (Nord-)Schweden halt einfach ein sehr gesundes Verhältnis zu Freizeit und Erholung haben, und man sich nicht an den typischen Touristen-Wünschen (zumindest internationaler Touris) ausrichtet.

Allerdings haben die Supermärkte jeden Tag von 8-ca. 21/22 Uhr geöffnet, auch am Sonntag. Das wiederum ist ziemlich praktisch.

 

Ganz offensichtlich ist Nord-Schweden eher ein Winter-Reiseziel (um Polarlichter tanzen zu sehen). Denn obwohl es unendlich viele blau glitzernde Seen gibt, hält man sich hier nicht damit auf, einen Wander- oder gar (verwegener Wunsch) einen Fahrradweg rund um die Seen anzulegen. Nicht mal wenn man ein Lodge-Camp betreibt. Gut, man kann natürlich auch sagen, wir haben einfach das falsche Hobby mit unserer Radfahrerei. Würden wir Kanu fahren und Angeln, hätten wir schliesslich ein phantastisches Freizeitangebot. 

Auf jeden Fall nehmen wir aus dieser Erfahrung mit: Dtl. Und Österreich sind paradiesisch für Radfahrer! Nie mehr kritteln wir an einem zu kleinen Radweg, der abrupt an einer Kreuzung endet, rum - denn zumindest GIBT es Radwege :-). Und es gibt so oft Heurige, an den Radwegen, die eigentlich immer „Öppet“ sind - Herz, was willste mehr :-)

 

Wir haben uns, weil es aktuell viel regnet, am Wochenende in ein Lodge-Camp eingecheckt. Mit Sauna! Wir wissen also auch, wie man auf schwedisch genießt. Man darf sich halt IN der Sauna nicht so genau umgucken, sonst stellt sich wieder das „alles ist a weng grindig“ - Gefühl ein - daher ist es recht kommod, dass es oft dunkel in den Saunen ist.

Unser Sommer-Camp ist ansonsten ein Paradebeispiel dafür, dass Hempels nicht nur unterm Sofa Zeugs lagern. Krempel kann man in den Wäldern und hinter Hütten überall ablagern, lernen wir. Macht nix. Da das Camp seine Hochzeiten hat, wenn Winter ist und überall Schnee drauf liegt fällt es vermutlich nicht so auf, was alles so rumliegt. 

Vielleicht ist unsere Wahrnehmung aber auch pur unser Problem und eine Frage des Alters. Gestern Abend hat die Crowd, die hier offenbar als Saisonkräfte rumwerkeln, unglaublichen Spass bei Sauna-Runde mit Bier und Jaccuzi-Vergnügen gehabt. Die sind halt halb so alt, und denen sind andere Dinge wichtiger.

 

Ein „schwedisches Ding“ ist auch das Mitarbeiten von Gästen z.B. in Cafés etc. ist es normal, dass man als Gast sein Geschirr selbst zurück bringt, so wie bei IKEA. Das wiederum finde ich eine tolle Sache. Es entlastet Café Personal und gleichzeitig hält es dann auch davon ab, einen Tisch im Chaos zu hinterlassen. Die Mitarbeit der Gäste treibt aber auch Stilblüten: der kleine Bungalow, in dem wir gerade für 2 Nächte rd. 340 € bezahlen, hat einen Aushang der darum bittet, dass wir bei Verlassen des Bungalows u.a. bitte die Bettwäsche abziehen und so einige andere Hausarbeiten (sprich die Endreinigung) übernehmen. 

 

Eine weitere schwedische Besonderheit ist das Autofahren für Jugendliche / Jungerwachsene / Führerscheinneulinge: in Schweden wird die Fahrleistung eines normalen Autos auf 25 km/h runter gedrosselt, und dann dürfen die Jungs und Mädels in dem Auto fahren. Dazu muss man noch ein Warndreieck hinten am Heck anbringen, damit hinterherfahrende Autos erkennen können, dass es sich um ein runtergedrückten Porsche, SUV oder sonstiges Modell handelt. 

 

Faszinierend ist, dass die schwedische Kultur ganz offenbar stark auf Vertrauen ausgerichtet ist. Wir waren vor wenigen Tagen auf einem Campingplatz, der derart limitierte Öffnungszeiten hatte, dass es uns nicht gelungen ist, die Platzgebühren im Office zu bezahlen - also haben wir einen Briefumschlag gebastelt und einen Betrag, den wir angemessen fanden, hineingelegt. Den genauen Betrag konnten wir nämlich nicht eruieren, da beim Versuch, die Kontaktnummer für „außerhalb der Bürozeiten“ anzurufen, am anderen Ende hartnäckig jedes Gespräch abgewiesen wurde. Und da war es dann wieder, das Gefühl, dass Kunden Wurscht sind. Die Campingplatz-Betreiber sind da eh recht hartgesotten: da wir in der Vorsaison (Saisonbeginn ist ab Mittsommer, also eh in ein paar Tagen) unterwegs sind, ist halt mitunter die angekündigte Sauna nicht eingeheizt oder nur 1 Toilette verfügbar, weil die anderen Bereiche noch geschlossen sind.

 

Es gibt aber auch immer wieder Begegnungen mit sehr netten Schweden. Das will unbedingt angemerkt sein. Da fast jeder englisch spricht, ist Unterhaltung kein Problem. Und bei letzten Camping am See trafen wir einen wortkargen Schweden, der jeden Tag mit seinem Boot rausfährt zum Fischen. Er brachte uns am Abend eine sehr stattliche Lachsforelle mit, im Gegenzug schenkten wir ihm einen Flasche von unserem österreichischen Wein. Das sind schon tolle Erlebnisse. Den Fisch haben übrigens im Bungalow zubereitet - er war so gross, den hätten wir gar nicht auf unseren Grill gepackt bekommen.

 

Bei uns wird es in ein paar Tagen weitergehen nach Norwegen, und gegen Ende unserer Reise werden wir noch Süd-Schweden kennen lernen (die Gegend ab Göteborg runterwärts). Wir sind also sehr gespannt, wie sich diese Regionen kulturell unterscheiden werden.

 

 

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