Uns erwartet erneut ein langer Reisetag im Auto: wir machen eine Menge Kilometer, denn wir wollen vom Torghatten in zwei Tagen nach Sogge Bru gelangen. Eigentlich in drei, und dabei Trondheim anschauen. Aber da unsere beiden Freundinnen G&G, die sich in Stockholm einen Camper gemietet haben im Eil(ver)fahren nach Sogge Bru begeben, gucken wir, dass wir ebenfalls bereits am So. Abend dort sind.
Landschaftlich ist der Abschnitt zwischen Torghatten und Trondheim für uns von überschaubarer Faszination. Das mag allerdings auch wirklich daran liegen, dass man, wenn man so durchfegt wie wir, einfach die Hidden Treasures nicht erlebt. Es ist bergig und waldig und wiesig, und sieht teilweise aus wie in Österreich. Und ungeachtet unserer Wünsche ans Universum findet sich kein Café auf dem Weg, wo wir einfach einen Cappucino mit einer Zimtschnecke verdrücken könnten.
Es zeigt uns einmal mehr: Norwegen nimmt den Tourismus hin (und vllt. auch das Geld mit), aber man lebt nicht vom Tourismus. Es fühlt sich tatsächlich auch oft so an: als (Individual-)Tourist wird man geduldet, und in weiten Teilen freundlich behandelt, aber man ist keinesfalls „systemrelevant“.
Vielmehr erspüren wir „2 Arten von Norwegern“: die erste Art sind die Norweger, die man in Läden, den seltenen Cafés, an der Tanke o.ä. trifft. Die sind überwiegend sehr nett. Zurückhaltend, aber freundlich.
Dann gibt es die norwegischen Camper, die im eigenen Land urlauben. Bei dieser Spezies spürt man sehr deutlich, dass die sehr gern auf uns Camper aus dem Ausland verzichten würden. Was durchaus ein wenig nachvollziehbar ist: wir verstopfen deren Straßen, z.B: auf den Lofoten. Manche müllen leider die in der Regel toll gepflegten Rastplätze voll - was krass ist, denn ich glaube nicht, dass die sich bei sich Zuhause selbst so benehmen. Und zu guter letzt führt den Andrang an den Campingplätzen auch noch dazu, dass die Betreiber die Preise von Jahr zu Jahr erhöhen, das mag der norwegische Einheimische natürlich auch nicht. Diese latent vermutete Aggression gegen uns ausländische Eindringlinge lebt der einheimische Camper nun zunehmend beim Hinweis auf die neue 3-Meter Abstandsregel aus: die besagt, dass zwischen den Campern 3 Meter Abstand sein müssen…und wehe, man stellt sich zu dicht an ein Womo-Schiff eines Einheimischen.
In dem Moment zeigt sich auch, was allen Norwegern gemeinsam scheint: man ist ziemlich kontaktvermeidend und scheut auch die direkte Auseinandersetzung mit dem Mitmenschen. Besser die Dinge via Platzwart regeln.
Außerdem - das hat zwar jetzt nix mit Campern zu tun aber unserem allgemeinen Eindruck von den Norwegern: man geht zum Lachen in den Keller. Es ist ein wirklich ernstes Land. Wo die Worte „kleinkariert“ und „Regel-obsessed“ völlig neue Bedeutungen erlangen. Das mag daran liegen, dass Norwegen unfgefähr die Fläche von Dtl. Hat, sich aber nur etwas mehr als 5 Mio Menschen, und ca. 80% davon in Süd-Norwegen verteilen. Wo sollen also Nord-Norweger überhaupt auf andere Leute treffen, wenn im Umkreis von 150m bis mehreren km ums Haus rum niemand ist? Dann ist auch klar, warum kein Café sich trägt bzw. wenn überhaupt, Kaffee aus der Warmhaltekanne kommt.
Egal. Wir machen Station in der Nähe von Trondheim und widmen uns am Folgetag dem Atlantikkustenweg- laut Tourismus-Werbung der schönsten Küstenstraße der Welt. Soviel sei gesagt: schön ist es. Teilweise mit spektakulären Brücken garniert. Und auch die Tunnel haben es in sich (kleiner Teaser für den Tunnelbericht ;-) ). Aber der Schönste? Das scheint uns dann doch etwas sehr Marketing-Sprech. Oder wir sind halt schon sehr verwöhnt von den Anblicken auf den Lofoten. Das ist vielleicht so ähnlich, wie wenn man seine erste grosse Liebe schon mit 20 getroffen hat, dann ist alles andere danach vllt blöderweise auch nicht mehr so prickelnd.
In einem kleinen Küstenort gehen wir um rd 16 Uhr Mittagessen - ein grandioses, authentisches Erlebnis - denn wir sind umgeben von Norwegern. Man muss sich das so vorstellen: Das Restaurant hat ungefähr die Ausstrahlung eines evangelischen Gemeindehauses oder einer Kantine. Es gibt Buffet. Mit aber sehr sehr leckerer Fischsuppe und auch weiteren Fischen in mehreren Varianten. Zum Nachtisch gibt es Kuchen und Torten. Man nimmt sich sein Stück selbst, indem man- in Ermangelung von Messern - mit dem Tortenheber sein Stück abschneidet, so klein oder gross man will. Man kann soviel nehmen wie man möchte. Dazu gibt’s den bekannten Kaffee aus der Warmhaltekanne. Sein Geschirr räumt man selbstverständlich selbst ab. Es waren dort so um die 100 Gäste, von Familienfeier über Treffen von Freunden war alles dabei. Nachvollziehbar, denn es war das einzige geöffnete Restaurant im Umkreis von gefühlt 50 Kilometern.
Nach einer weiteren Stunde erreichten wir Sogge Bru und G&G tauchen auch kurz darauf auf. Für uns ein Social Happening der Sonderklasse, und bald bedecken Gin und Tonic-Flaschen, eine leere Weinflasche, leergefutterte Käse- und Salamiplatten und ein paar Bierdosen unseren Campingtisch - es geht uns gut.
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