Es gibt Momente, in denen man als Tourist plötzlich und unerwartet tiefe Einblicke in die Identität eines Landes oder einer Region bekommt. So geschehen gestern. Tatort Oudenaarde, genauer gesagt
das Radfahrzentrum der berühmten Ronde van Vlaanderen, der Flandernrundfahrt.
Wir sitzen in einem abgedunkelten Raum und sehen einen kurzen Film über die Rundfahrt. In diesem Moment können wir nicht nur verstehen, sondern fühlen, wofür das Herz der Flamen schlägt!
Unser Guide Tieneke verstärkt dieses Gefühl, während sie uns mit leuchtenden Augen durch das Museum führt und ihre Faszination für De Ronde mit uns teilt.
Alles begann 1913 - weswegen De Ronde just dieses Jahr ihr 100-jähriges Jubiläum feierte. Der Gründer war ein Unternehmer mit Herzblut, der vorher bei vielen unternehmerischen Versuchen
gescheitert war, auch bei dem, ein Rennradfahrer zu werden. Da beschloss er, eine Sportzeitung zu gründen. Und schon vor 100 Jahren galt der alte Marketing-Slogan "content is king". Es musste
also eine spannende Sportstory her, und schwupps, war das Radrennen De Ronde van Vlaanderen geboren. Übrigens sind wohl auf gleichem Wege der Giro d'Italia und selbst die Tour de France
entstanden. Heute ist es ein unabhängiges Event, mit einem Jahresbudget von rd. 1,8 Mio €.
Bei gutem Wetter stehen 800 Tsd Besucher an der Strasse und Belgien generell wirkt überall sonst in West- und Ostflandern wie ausgestorben, weil der Rest vor dem TV-Bildschirm hängt und das
Rennen verfolgt.
Und wer bisher dachte, Radrennen, das ist doch einfach nur ein Sport, bei dem viele ausgezehrte Männer auf zwei Rädern über Stunden einem Ziel entgegen hecheln, der lernt hier im Zentrum schnell,
dass die Mythen und Legenden, die kleinen und grossen Geschichten rund um ein Rennen ebensolches zur Faszination machen.
Zuallererst trägt dazu bei, dass De Ronde, rd 260 km lang, zu erheblichem Teil auf Pflastersteinen gefahren wird. Deshalb nehmen schon mal kaum Spanier an dem Rennen teil. Und Dimitri Gusev z.B.
drückte sein Rennrad direkt nach der Zieleinfahrt dem Chef des Zentrums in die Hand mit den Begleitworten, dieses Rennen sicher nie mehr zu fahren. Das Rad, mit Tacho, Wasserflasche etc. ist
heute noch im Zentrum zu bestaunen.
Ein Gefühl dafür, wie es sich anfühlt stundenlang über Pflastersteine zu radeln, kann man live im erleben - es ist ein Fahrrad aufgebaut, man muss nur lostrampeln und kann sich durchschütteln
lassen. Alternativ kann man es natürlich wie wir machen: mit dem Rad durch Flandern fahren, da gibt's dann oft genug solche Passagen :-).
Viele Geschichten sind in diesem interaktiv gestalteten Zentrum dokumentiert, ebenso wie die vielen Sieger und Teilnehmer gezeigt werden und deren Ausrüstung. Für Radsportfans ist ein Besuch
schlicht vermutlich das Schönste, was man sich vorstellen kann, für alle anderen die es die Chance, das Herz der Flamen schlagen zu hören.
Und wer es jetzt selbst genau wissen will, wie es sich auf De Ronde anfühlt: Am 25./26. Mai findet die Retro-Ronde statt. Mit alten Fahrrädern und Original alten Trikots..... Auf geht's
Flanderen!
Ronde van Vlaanderen - pure Emotion
Ausschnitte aus dem Video des Centrums Ronde van Vlaanderen mit freundlicher Genehmigung.
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uschi (Donnerstag, 02 Mai 2013 10:16)
@ sonja: haltest dich echt gut auf dem kopfsteinpflaster ;-)
super euren blog zu verfolgen! man bekommt wirklich lust auf flandern (selbst als nicht-radfahrer ;-))